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[speculative design][music performance with [sic]nals] DE | EN[graphic design][about]

24 DE [sic]nals – intrapulse


©Marcel Rickli

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[sic]nals – intrapulse

Installation eines Wartezimmers als Vorraum zur Licht- und Luft-Therapie
intrapulse installiert ein Wartezimmer in Reaktion auf den Ort der Erstaufführung des Projektes: Das Schatzalp Hotel Davos. Das Hotel ist ein ehemaliges Sanatorium, zu dem Anfang des 20. Jh. an Tuberkulose Erkrankte reisten und sich von der Luft- und Licht- Therapie Heilung versprachen. Die Lobby des Hotels legt mit einer umfassenden Fensterfront den Blick auf die Davoser Berglandschaft frei. Gäste, die sich heutzutage in ein Hotel im Kurort Davos einmieten, haben die Wahl, durch einen kleinen Aufpreis den “myclimate Klimafond Davos” zu unterstützen und damit “Verantwortung[...] für die momentan unvermeidbaren CO2-Emissionen [zu übernehmen][:] [d]er Gast wird aktiv und löst mit seinem Engagement Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Hotel/Betrieb aus”.

Die Verschiebung dessen, worauf sich ein Heilungsanspruch oder Maßnahmen des Sorgetragens richten – damals auf die an Tuberkulose leidenden Körper, heute auf einen Kurort, der auf Emissionen (u.a. des Hotelbetriebs) reagiert – hat uns nach einer aktuellen Lesart der Wendung Luft- und Licht-Therapie fragen lassen:

Müssen wir womöglich unseren Blick über gewohnte materielle Grenzen des Lebendigen hinaus weiten, um eine Patient*in der Licht- und Luft-Therapie denken zu können, die der Komplexität dessen gerecht wird, was gängig unter der Dichotomie Lebendiges/und seine Umwelt gefasst wird?

Im Wartezimmer-Setting von intrapulse – gewissermassen als Vorraum zur Licht- und Luft-Therapie – laden wir zur spekulativen Annäherung an Körper und Phänomene ein, die hier auf ihre Behandlung warten.

We have become accustomed to considering the atmosphere, oceans, soils, and rocks as "environment”, "abiotic”, "physico-chemical”, "external conditions”, "geological". [...] It is because the activities of the beings we classically recognize as living overflow and exceed what we classically recognize as the inanimate world that we must, precisely, revise the idea that this world is inanimate. Sébastian Dutreuil, Gaia is alive

Wir führten das Projekt ein weiteres Mal im Freibad Letzigraben in Zürich auf. Hier haben uns die ehemaligen Umkleidekabinen als Ort ineressiert – wie die Schatzalp regen sie als Glaskubus zum Nachdenken über Grenzziehungen zwischen Innen und Aussen | Lebendigem und seiner Umgebung an.

PULSINDIKATOR | LEBENDIGES/UND SEINE UMGEBUNG
Dramaturgischer Anhaltspunkt der Performance und beim Versuch, mehr als menschliche Körper/Phänomene ästhetisch zu denken, ist das Pulsmessen.
Musikalisch orientiert anfangs der menschliche Puls. Wir greifen auf Stücke der Renaissance und auf eine zeitgenössische Komposition zurück, die sich bei Anweisungen zum musikalischen Metrum auf den menschlichen Puls beziehen. Die Bezugnahmen fallen unterschiedlich aus: In der Cardiophonie von Heinz Holliger steht das Tempo und die Klanglichkeit des menschlichen Puls im Fokus, bei den Renaissancestücken wird eher der Bewegungsablauf des menschlichen Herzen als Geste thematisiert. Mithilfe einer Schlauchverschaltung geben wir letztlich Phänomenen von Aussen einen Platz in unserem Wartezimmer. Der Mechnanismus funktioniert als Pulsindikator: Wir generieren Daten mithilfe eines Windsensors, die das Pulsieren von Wasser im gefüllten Schlauchsystem informieren. Beim Objekt-Design haben wir uns am Pulsfühlen/-tasten beim Menschen und am “Tactus-Schlagen”, einer historischen Praxis, musikalische Zeit für die ausführenden Musiker*innen zählbar zu machen, orientiert.


HUMDITY VEST
Mithilfe der Humidity Vest initiieren wir eine Relation zwischen Pflanze und Westenträger*in, die auffordert, nicht-menschliche Bedürfnisse in alltägliche Handlungsabläufe zu integrieren. Die Weste ist reaktiv auf die Wasserversorgung von umgebenden Zimmerpflanzen (mit einem Feuchtesensor präpariert) geschaltet und bläst sich auf, wenn eine Zimmerpflanze innerhalb eines bestimmten Radius an Wasserknappheit leidet. Mit anhaltendem Aufpumpen erhöht sich der Druck auf der Brust der Trägerin. die Träger*in kann das Aufblasen nur stoppen, indem sie die Wasserversorung der Pflanze sicherstellt und ihrem Bedürfnis nach Wasser nachkommt. Unter anderem geht die programmierte Interaktion von einem Interesse daran aus, wie routinierte Abläufe modifiziert werden, wenn sie für Bedürfnisse durchlässig werden, die gewöhnlich ausgespart werden (können). Dabei liegt der Fokus nicht allein auf einem Einbezug der Bedürfnisse nicht-menschlicher Akteure, sondern richtet sich auf Momente, in denen gewöhnlich unbeachtete Bedürfnisse mit normativen Vorstellungen von Zeit und Raum routinierter oder institutioneller Prozesse in Konflikt geraten.
(vgl. Diversity Arts Culture Berlin, Crip Time)

Davos Festival 2024 | Festivalmagazin mit Interview
Freibad Letzigraben Zürich 2024 

Lea Sobbe | Blockflöte 
Eleonora Bišćević |Traverso 
Martin Jantzen | Viola da Gamba Zacarias Maia | Performer 
Pascal Lund-Jensen | Objekt-Design + Klangregie 
Nora Sobbe | Konzeption + Objekt-Design/Szenografie 
Lea Sobbe | Konzeption + musikalische Leitung

Wir danken der Medizinischen Sammlung des Instituts für Evolutionäre Medizin (Universtität Zürich) und insbesondere Sabina Carraro für den inhaltlichen Austausch im Vorfeld der Aufführung.

    22 DE [sic]nals – liminoid


    ©Nora Sobbe

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    [sic]nals – liminoid

    liminoid initiiert ritualisierte Abläufe im Baptisterium des Kölner Dom. Drei Musiker*innen/Performer*innen begegnen dem ehemals sakralen Raum – heute ein profaner Ort von archäologischem Interesse –, der zwischen dem Kölner Dom und der vom Bahnhofsgeschehen belebten Fußgängerzone vermittelt. Besucher*innen werden eingeladen, mit den Musiker*innen/Performer*innen zu Momenten des Dazwischen zu forschen. Musikalischer Ausgangspunkt ist dabei das lutherische Kirchenlied »Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ«. Verschiedene barocke Bearbeitungen des Stücks, u. a. von Johann Sebastian Bach, werden zum Material für musikalisches Konstruieren und Dekonstruieren, das den Musiker*innen ein improvisierendes Miteinander ermöglicht.

    Victor Turner (1920-1983) entlehnt den Begriff der “liminalen Phase” (lat. Limen – die Schwelle) ethnologischen Studien zu Übergangsriten und modifiziert ihn für das Theater “komplexer”, “postindustrieller Gesellschaften”. Aufführungsmomente, verstanden als “liminoide Prozesse” (“den liminalen Phänomenen [ähnelnd], ohne ihnen gleich zu sein”), verfügen nach Turner über das Potenzial, als “unabhängige und kritische Quelle” gegenüber derzeit verbindlich geltenden sozialen Ordnungen zu wirken:
        Wie aber kann ein möglicherweise transformatives Potenzial solcher Schwellenphasen über Aufführungssituationen hinweg nachhaltig wirken? Welche Handlungsmacht tragen Performende, Besucher*innen und Objekte der Performance
    und wie können sie nach Aufführungsende weiter miteinander kommunizieren? 
    (Victor Turner, Vom Ritual zum Theater)

    Teil der Aufführung von liminoid ist ein klingendes Objekt, das am Ende der Performance von einem Performer aktiviert wird. Einer aufziehbaren Spieluhr gleich kann es für einen bestimmten Zeitraum nicht willentlich gestoppt werden. Drei solcher klingenden Objekte werde gegen Ende der Performance Personen aus dem Publikum übergeben. Sie werden gebebeten, es an eine Annahmestelle zu bringen, die nur erreicht werden kann, in dem der öffentliche Raum passiert wird. Aus den drei Objekten erklingen Fragmente der Performance. Der Sound der drei Objekte greift ineinander.


    Martin Jantzen | Viola da Gamba
    Zacarias Maia | Performer
    Juri Rendler | Realisierung Objekt 
    Ronja Landtau | Outside Eye
    Nora Sobbe | Konzeption + Objekt-Design + Szenografie
    Lea Sobbe | Konzeption + Musikalische Leitung + Blockflöten

    2022 Original-Klang Festival FEL!X Köln